Sie wollte nicht mehr leben.
Hinter dem Dunkel ihrer Lider hörte sie ein männliche Stimme lachen, sie kam von draussen.
"Na Bursche, die Kleine ist ihr Gold wert, was? Du kannst sie haben, für 10 Rubine! Was Du mit ihr machst, ist mir einerlei, sie kann schleppen, putzen, Drecksarbeit erledigen... " dann raunte er dem Fremden zu: ".... und noch mehr!"
Nialya's Kopf schmerzte, als sie das anschliessende Wortgefecht mitbekam. Der Fremde war aufgebracht, scheinbar war ihm das Angebot zu teuer, sie hörte eine Tür knallen - dann war Ruhe.
Sie wollte sich grade unter Schmerzen aufsetzen, als die Tür knarrte. Sie liess sich zurückfallen und tat, als würde sie schlafen. Der große dickbäuchige Mann mit dem ungepflegtem Bart und seinem verdreckten und zerschlissenen, halb offenen Hemd mit Blick auf die behaarte Brust, blickte auf sie hinab, rüttelte unsanft an ihr und liess von ihr ab, nachdem sie sich gar nicht rührte.
"Mit der ist heut' auch nix mehr los..." raunte er und wandte sich ab. Sie zuckte noch nicht einmal mehr zusammen, als die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fuhr, sie war es längst gewöhnt.
Ihr Kopf neigte sich zur Seite, dem fahlen Lichtschein entgegen, der durch eine kleine Luke hereinbrach. Langsam öffnete sie ihre mahagonifarbenen Augen, ihr Blick war leer.
Wie lange sie nun schon hier lag, das wusste sie nicht, nur, dass sie schon viel zu lange für diesen dreckigen Kerl arbeiten musste.
Sie hatte nichtmal mehr die Kraft, aufzustehen und zur Luke zu gehen, um ein wenig vom Tageslicht abzubekommen. Sie blieb liegen, schloss die Augen wieder und fiel in einen unruhigen Schlaf.
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"He Weib, komm, steh auf, genug geschlafen!" Der widerwärtige Kerl stand am frühen Morgen in ihrer Kammer und brüllte in den Raum, es roch widerlich. 'Scheinbar hatte er die Nacht wieder bei irgendwelchen Dirnen verbracht und sich danach ordentlich die Rübe zugekippt' dachte sich Nialya, noch bevor sie die Augen öffnete. 'Wenigstens liess er mich in Ruhe'
Sie sah den Schatten, der plötzlich bedrohlich auf sie zukam, erschrocken setzte sie sich auf, um nicht schon wieder eine der Ohrfeigen zu bekommen, mit denen er sie sonst immer geweckt hat, wenn sie des Morgens nicht aufstehen wollte.
"Ja Herr.." entkam es über ihre zusammengekniffenen zarten Lippen, ihr Blick glitt ehrfürchtig zu Boden. Der Kerl wusste schon, was er an Nialya hatte: sie war wirklich ein bildhübsches junges Ding, zarte 19 Jahre alt, ihre langen Haare pechschwarz, ihr Körper einer jungen Frau gleich, wenn da nicht diese elendigen Striemen und Wunden wären, die ihren Körper entstellten. Doch sie war nicht sie selbst.
Er nahm ihre Haare und zog sie daran hoch, wackelig und ohne Kraft kam sie vor ihm zu stehen, den Blick noch immer zu Boden gerichtet. Sie fühlte keine Schmerzen mehr - Verdrängung. Ihre Seele war längst gebrochen - Vertrauen? Was ist das? Gefühle - kannte sie nicht - Weinen, nein - sie hatte keine Tränen mehr, längst verbraucht. Sie war nur noch eine seelenlose Hülle, die er sich so zurechtbiegen konnte, wie er sie brauchte.
Mit seinen dreckigen Händen, riesigen Bärentatzen gleich, fuhr er über ihren zierlichen Körper, der mit dreckiger zerschlissener Kleidung bedeckt war, und strich ihre weiblichen Konturen entlang, mit seinem üblen Atem flüsterte er ihr ins Ohr: "Du wirst mich reich machen.", bevor er in ein hämisches Gelächter verfiel.
Nialya drehte sich der Magen um, sie fuhrt ruckartig herum und musste sich in der Ecke der Kammer erleichtern. Abschätzig schaute der Dickbäuchige zu ihr, ergriff grob ihren Oberarm und riss sie aus der Ecke fort, sie konnte sich noch eben mit ihrer Hand über den Mund wischen.
"Komm jetzt, wir haben keine Zeit!" Mit diesen Worten verliessen sie die Kammer und schliesslich das Haus. Das Tageslicht brannte in ihren Augen, sie musste sie zusammenkneifen.
Einige Schritte legte sie barfuss und blind zurück, bis sie langsam anfing, zu blinzeln, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Während er sie noch immer am Oberarm haltend mit sich schliff, drehte sie sich in der Gasse herum und versuchte zu erkennen, wo sie war.
In der Ferne hörte man schon eine aufgeregte Menschenmenge - ein Hafen vor ihr - ein Schiff.
Sie sah Menschen die Planken hinaufsteigen, ihre Blicke waren von Hoffnungslosigkeit und Panik begleitet. Mit leeren glasigen Augen blickte Nialya zu ihnen hinauf, doch bevor sie überhaupt denken konnte, schubste der Dickbäuchige sie einem Matrosen entgegen. Dieser empfing sie mit offenen Armen und grinste dreckig, als sie ihm so nah stand, dass er ihr mühelos seine Zunge in den Hals stecken könnte. Er schnalzte und raunte: "Na Püppi, dann wollen wir mal, was?" seine Augen funkelten. Er warf dem Dicken einen Beutel zu, der verdächtig klimperte und rief ihm entgegen: "Den Rest gibts bei der Rückkehr, dann gehen wir einen Kippen, mein Freund!"
Scheinbar hatte der Dicke doch noch ein Abkommen getroffen, um an seinen Reichtum zu kommen.
Nialya ahnte bereits, was nun geschieht, doch wider Erwarten brachte er sie auf das Schiff zu den anderen. Er ging nicht so grob mit ihr um wie der Dicke.
"Es wäre zu schade um Dich, Du sollst uns schliesslich Gold und Rubine bescheren." bemerkte er grinsend an, als er sah, dass sie sichtlich verwirrt schien.
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Die Überfahrt dauerte vier Tage und vier Nächte, zwischenzeitlich steuerten sie die Häfen der anliegenden Ländereien an, und verkauften die Sklaven an die dort ansässigen Herren - und auch Damen-. Nialya hingegen blieb an Bord, als einzige. Die übrigen Matrosen geierten sie ständig an, mit ihren Blicken schienen sie die junge Frau auszuziehen. Einer kam ihr bedrohlich zu nahe und wagte es, sie unsittlich zu berühren. Nialya schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und traute sich nicht, sich zu wehren, sie liess es über sich ergehen, wie schon so viele Male zuvor. Es sollte ihm zum Verhängnis werden.
Es gab es einen plötzlichen Aufschrei, sie zuckte zusammen und öffnete die Augen. Sie sah, wie der Matrose zwischen ihren Beinen zu Boden glitt. Hinter ihm stand jener, der sie bereits am Hafen in Empfang nahm.
Mit einem gleichgültigem Schulterzucken zog er den Dolch aus der leblosen Gestalt und sprach wie selbstverständlich: "Musste sein." Dann schubste er den Körper des Mannes mit dem Fuß beiseite und rief ein paar Männer herbei, die ihn aus dem Blickfeld Nialya's schaffen sollten.
Er setzte sich zu ihr, strich ihr über das Bein, hinauf zum Oberschenkel, seine Blicke verieten ihr, dass auch er nicht ein Deut besser zu sein schien, als die anderen, doch mit einem Mal zog er die Hand zurück; stattdessen strich er schliesslich über ihre Wange, behutsam, fast schon zärtlich, als wolle er ihr nichtmal weh tun. Er nahm eine einzelne Strähne ihres langen dunklen Haares in die Hand und roch daran.
"Zu schade, wirklich zu schade, Püppi..." Mit diesen Worten erhob er sich und liess sie in Ruhe.
Er rief zu seinen Leuten: "Wenn wir angekommen sind, haltet Ausschau nach willigen Damen!"
Sie sah wie er zu einem seiner Leute sprach, dieser nickte eifrig und kam wenig später mit einem Eimer und einem Schwamm zurück.
"Hier...ich soll Dir das von meinem Herr bringen." Nialya blickt zu ihm und verstand.
Reinlich sollte sie sein, damit sie mehr Ertrag geben würde. Sie stiess den Eimer wortlos mit dem Fuß um, scherte sich nicht um das Gerede des Mannes, auch wenn dies bedeuten würde, dass sie sich wieder eine einfangen würde.
Ein wenig hilflos schaute der Mann sich um, sein Herr bemerkte den Vorfall und schien amüsiert. Er deutete ihm, sich davonzustehlen, stattdessen trat er nun selber zu Nialya und setzte sich erneut zu ihr.
"Pass auf Püppi, ich werde dafür sorgen, dass es dir nicht so ergeht, wie bei dem alten Knacker, verstanden? Also hör auf zu zicken und tu, was ich dir sage! Und nun wasch dich und zieh dich um." Mit diesen Worten ergriff er einen Stapel Kleider, sauber und ordentlich zusammengelegt, die auf einer Kiste neben sich schon bereitlagen und legte ihr diese auf den Schoss. Er brachte ihr erneut einen Eimer, hob den Schwamm auf und beobachtete sie.
Sie wehrte sich innerlich, sich vor ihm zu entblössen und zu waschen, doch er stand vor ihr, diesmal mit dem Rücken zu ihr gewandt und sorgte scheinbar dafür, dass ihr keiner zu nahe kam.
Als sie fertig war, fühlte sie sich anders. Es war ungewohnt, einmal sauber zu sein. Noch immer misstrauisch, ob er es ernst meinte, blickte sie über die Reeling und sah in der Ferne bereits die Konturen eines Landes. Es wäre ein Leichtes, ihrem Leben hier und jetzt ein Ende zu setzen, sie bräuchte nur..... doch bevor sie ihre Gedanken zu Ende führen konnte, spürte sie die Hand eines Matrosen an ihrem Arm, der sie wieder zurück zu ihrem Platz führte, diesmal ohne von ihrer Seite zu weichen.
"Iris in Sicht, Herr!" rief ein Matrose und der Herr nickte zufrieden.
Das Ziel ihrer Reise ist nah, sie steuerten Randol an, wo sie schliesslich anlegten.
Bevor Nialya das Schiff verliess, hielt der Kapitän des Schiffes sie noch einmal am Arm fest und drehte sie zu sich um.
"Hätte ich mehr Gold, ich hätte Dich zu mir genommen... " seine Stimme klang nunmehr ein wenig gebrochen, als würde er es bereuen, sie im Auftrag des Dicken auszuliefern. "Pass auf Dich auf Kleine!" Mit diesen Worten drückte er ihr einen Kuss auf ihre sinnlichen Lippen, sie schmeckte salzige rauhe Seeluft.
Ihre Augen schienen ihn anzustarren, doch im Grunde war sie es schon gewohnt, nur nicht in diesem gewaltlosen Ausmass.
"Geh jetzt..!" etwas unsanft schubste er sie nun die Planke hinab, wo sie bereits von anderen Menschen empfangen wurde. Als sie sich umdrehte und mit ihrer Hand angwidert über ihren Mund fuhr, sah sie bereits, wie die Planke eingeholt wurde und der Kapitän mit gewohnt rauher Stimme seinen Leuten zurief: "Hisst die Segel, es geht weiter!" Die Meute sprang und machte sich an die Arbeit, es schien alles wieder beim Alten.
Nialya blickte sich ehrfürchtig um, hier solle es ihr also besser gehen?
Sie wagte nicht daran zu denken, senkte ihren Blick und liess sich von den fremden Menschen, zwei Männer und einer Frau, führen.
Ein -scheinbar- neues Leben hatte begonnen.
Zuletzt von Nialya am Fr Aug 14, 2009 2:29 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet